Nach § 618 Abs. 1 BGB ist der Arbeitgeber verpflichtet, die bei ihm tätigen Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit zu schützen. Über die Schadensersatzforderung einer Arbeitnehmerin aufgrund einer Corona-Infektion, die möglicherweise am Arbeitsplatz erfolgte, hatte das ArbG Siegburg zu entscheiden.
Sachverhalt
Die Klägerin war als Krankenschwester in der psychosozialen Betreuung in einem Wohnhaus tätig. Zuletzt war die Klägerin für jeweils 3,5 Stunden am 28.03.2020 und 29.03.2020 für die Beklagte tätig. Im Rahmen ihrer Tätigkeit half sie dem Pflegepersonal und trat dabei auch in Kontakt mit den Bewohnern des Wohnhauses, half diesen unter anderem beim Essen. Eine Atemschutzmaske erhielt sie von der Beklagten für diese Tätigkeit nicht. Nach der zu dieser Zeit geltenden Corona-Schutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen war die Leitung der Einrichtung dazu verpflichtet, „die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Eintrag von Coronaviren zu erschweren, Patienten und Personal zu schützen“. Am 02.04.2020 traten bei der Klägerin erstmals Erkältungssymptome auf. Am 08.04.2020 wurde die Klägerin positiv auf das Corona-Virus getestet. Aufgrund des besonders schweren Krankheitsverlaufs wurde sie stationär in ein Krankenhaus aufgenommen und dort in ein künstliches Koma versetzt. Auch nach Entlassung hatte die Klägerin noch mit Spätfolgen, wie Luftnot, Müdigkeit und Gelenkschmerzen zu kämpfen. Nach Annahme der Berufsgenossenschaft und ausweislich einer fachärztlichen Bescheinigung wird davon ausgegangen, dass die Infektion am Arbeitsplatz erfolgte. In der Einrichtung wurde bei insgesamt 12 Bewohnern ebenfalls eine Corona-Infektion festgestellt. Zu einem der Bewohner hatte die Klägerin am 29.03.2020 körperlichen Kontakt. Sie klagte daraufhin auf Schadensersatz und verlangte Entschädigung für ihren Verdienstausfall, Ersatz von Aufwendungen sowie ein angemessenes Schmerzensgeld.
Entscheidung
Das ArbG Siegburg wies die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Schadensersatz.
Es sei nicht hinreichend dargelegt worden, dass eine Pflichtverletzung der Beklagten ursächlich für die Erkrankung war. Unklarheit herrscht vor allem, bei wem und in welcher Situation sich die Klägerin angesteckt hat. Aus dem Umstand, dass mehrere Bewohner bereits Erkältungssymptome aufwiesen kann nicht darauf geschlossen werden, dass bei ihnen auch bereits eine Corona-Infektion vorlag. Dies gilt auch für den Bewohner, zu welchem die Klägerin bei ihrer Tätigkeit am 29.03.2020 Körperkontakt hatte. Außerdem könne nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass bei einer nur 3,5-stündigen Arbeitszeit die Ansteckung außerhalb der Einrichtung erfolgt ist. Die Feststellungen der Berufsgenossenschaft und das fachärztliche Attest, die von einer Ansteckung am Arbeitsplatz ausgehen, seien zudem nicht bindend. Die Aussagekraft des Attests sei äußerst fragwürdig, da die Nachverfolgung von Viren und Ansteckungswegen kaum möglich ist. Der Zusammenhang zwischen der Tätigkeit in der Einrichtung und der Corona-Infektion könne daher nicht hinreichend bewiesen werden.
Praktische Hinweise
Trotz der anhaltend hohen Infektionszahlen werden gesetzliche Vorgaben für betriebliche Hygienemaßnahmen im Zusammenhang mit dem Corona-Virus immer weiter zurückgefahren. Die Einführung und Umsetzung von Hygienemaßnahmen über die Vorgaben der geltenden Corona-Schutz-Verordnungen der Länder hinaus liegt fortan allein in der Hand des Arbeitgebers. Dieser steht bei der Einführung entsprechender Hygienemaßnahmen nun im Dilemma zwischen Gesundheitsschutz und Freiheitsrechte der Mitarbeiter. Auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Einführung von Hygienemaßnahmen ist zu beachten (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG).
Das Urteil des ArbG Siegburg finden Sie hier.