ArbG Berlin: Durchsetzung eines 2-G-Modells rechtfertigt Kündigung ungeimpfter Mitarbeiter

Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 03.02.2022, Az.: 17 Ca 11178/21

Seit dem 16.03.2022 besteht aufgrund des neu eigeführten § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG) im Gesundheitswesen die sogenannte „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ (eine ausführliche News zu dieser finden Sie hier). Vorgesehen ist ein gesetzliches Betretungs- und Tätigkeitsverbot nur für Mitarbeiter, welche ihre Tätigkeit in der Einrichtung erst nach dem 15.03.2022 aufnehmen und einen entsprechenden Nachweis über eine Impfung oder Genesung nicht vorlegen. Bestandsbeschäftigte, welche den Nachweis bis zum 15.03.2022 nicht erbracht haben, dürfen hingegen bis zur behördlichen Anordnung eines Beschäftigungsverbots weiterhin in den Einrichtungen tätig werden. Zur Frage der Rechtsmäßigkeit einer Kündigung aufgrund der Nichtvorlage des entsprechenden Nachweises besteht bislang große Rechtsunsicherheit. Ein erstes Urteil der Arbeitsgerichte steht noch aus.

Mit dem Urteil des Arbeitsgerichts Berlin liegt nun ein Urteil zur Frage der Rechtmäßigkeit einer Kündigung einer ungeimpften Mitarbeiterin eines Betriebes vor, welcher nicht unter die Vorschrift des § 20 a IfSG fällt. Die Relevanz des Urteils ist nicht zu unterschätzen, entscheiden sich doch auch immer wieder Unternehmen außerhalb des Gesundheitswesens zur Einführung eines „2-G-Modells“.

Sachverhalt

Die Klägerin war als Musicaldarstellerin tätig. Für die Beschäftigung in einem neuen Musical hatte sie mit zwei Veranstaltungsgesellschaften einen befristeten Vertrag für die Probenzeit sowie einen befristeten Arbeitsvertrag für die Aufführungsdauer abgeschlossen. Für den zweiten Arbeitsvertrag war eine Probezeit von einem Monat, vorliegend vom 28.11.2021 bis zum 27.12.2021, vorgesehen. Noch vor Vertragsbeginn erfuhren die Veranstaltungsgesellschaften, dass die Klägerin ungeimpft war. Obwohl diese anbot, täglich Testnachweise vorzulegen, kündigten die Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis am 18.10.2021 ordentlich fristgerecht. Gegen die Kündigung erhob die Musicaldarstellerin Klage.

Entscheidung

Das ArbG Berlin wies die Klage ab. Die Kündigung sei rechtmäßig.

In der Durchsetzung eines „2-G-Modells“ liege kein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB vor. Nach diesem darf ein Arbeitnehmer nicht benachteiligt werden, wenn er lediglich seine Rechte in einer zulässigen Weise ausübt. Zwar sei es das gute Recht der Klägerin, sich gegen eine gesetzlich nicht vorgeschriebene Impfung zu entscheiden. Jedoch sei vorliegend nicht die Entscheidung gegen die Impfung der Grund für die Kündigung. Der Arbeitgeber könne als Ausdruck seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit das „2G-Modell“ als allgemeingültiges Anforderungsprofil für alle Arbeitsplätze im Betrieb durchsetzen und so die Gesundheit der gesamten Belegschaft schützen. Erfolgt eine Kündigung, weil die Darstellerin dieses Anforderungsprofil aufgrund der fehlenden Impfung nicht erfüllt, liege keine Maßregelung vor. Auch gegen die Einführung des „2-G-Modells“ als Anforderungsprofil sei nichts einzuwenden. Insbesondere werde mit dem Ausschluss ungeimpfter Mitarbeiter nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen. Auch der Fakt, dass der Arbeitgeber nicht unter die nach § 36 Abs. 3 IfSG zur Abfragung des Impfstatus berechtigten Unternehmer fällt, macht die Anordnung eines „2-G-Modells“ nicht rechtswidrig, sondern stelle allein ein Problem der praktischen Umsetzung dar. Auch das Angebot der Darstellerin, täglich Testnachweise zu erbringen, durften die Beklagten ablehnen. Eine tägliche Kontrolle der Nachweise würde die Betriebsabläufe stark beeinträchtigen. Im Falle eines Risikokontakts mit einem infizierten Dritten bestünde bei ungeimpftem Personal weiterhin ein höheres Risiko für etwaige Personalausfälle. Insgesamt stand es den Arbeitgebern daher zu mit dem „2-G-Modell“ eine Arbeitsschutzmaßnahme zu schaffen, die über den gesetzlich geforderten Schutz hinausgeht.

Praktische Hinweise

Das Urteil des ArbG Berlin zeigt, dass die unternehmerische Entscheidungsfreiheit von Arbeitgebern im Bereich von Hygienekonzepten sehr weit reicht. Zum Schutz seiner Belegschaft darf er ein „2-G-Modell“ einführen und eine Impfung oder Genesung als Anforderung an seine Mitarbeiter stellen. Die tatsächliche Umsetzung dieser Modelle wird sich in der Praxis jedoch sehr schwierig gestalten. Da ein Großteil der Unternehmen nicht nach § 36 Abs. 3 IfSG zur Abfragung des Impfstatus der Angestellten berechtigt ist, muss auf die freiwillige Mitwirkung der Arbeitnehmer gehofft werden. Verweigert ein Mitarbeiter die Auskunft über seinen Impfstatus, dürfen daran nicht ohne Weiteres negative Folgen geknüpft werden.

Das Urteil des ArbG Berlin finden Sie hier

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