BAG: Krankmeldungen nach Kündigung können den Anspruch auf Entgeltfortzahlung verhindern

BAG, Urt. v. 13.12.2023, Az.: 5 AZR 137/23

Eine ordnungsgemäß ausgestellte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat nach der Rechtsprechung des BAG einen hohen Beweiswert: Sie ist das wichtigste Beweismittel für das Vorliegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Der Arbeitgeber kann den Beweiswert „nur dadurch erschüttern, dass er tatsächliche Umstände darlegt und im Bestreitensfall beweist, die Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers ergeben mit der Folge, dass der ärztlichen Bescheinigung kein Beweiswert mehr zukommt.“ (BAG, Urt. v. 28.06.2023, Az.: 5 AZR 335/22)
Das BAG entschied nun, dass der Beweiswert derjenigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erschüttert werden kann, die nach Zugang der Kündigung vorgelegt wurden. Das kann für den Arbeitnehmer bedeuten, dass er keinen Anspruch auf eine Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 S. 1 EntgFG hat. Das Gericht betonte aber auch, dass erst der Gesamteindruck der mehreren Ereignisse des Falls zur Zweifelhaftigkeit des Beweiswerts führte.

Sachverhalt:

Der Kläger ist seit dem 16.03.2021 bei einer Zeitarbeitsfirma als Helfer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden beschäftigt. Ab dem 21.04.2022 wurde der Kläger durch den Arbeitgeber nicht mehr eingesetzt. Wenige Zeit später meldete sich der Kläger mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum ab dem 02.05.2022 bis 06.05.2022 krank. Am 03.05.2022 ging ihm die ordentliche Kündigung zum 31.05.2022 zu. Durch Folgebescheinigung vom 06.05.2022 wurde eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers bis zum 20.05.2022 durch den Kläger eingereicht; es folgte eine weitere Folgebescheinigung einer fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit vom 20.05.2022 bis zum Ende seines Beschäftigungsverhältnisses zum 31.05.2022.
Der Arbeitgeber hatte Zweifel an der Echtheit der Erkrankungen aufgrund sog. zeitlicher Koinzidenz und verweigerte in Folge dessen die Lohnfortzahlung iSd. § 3 Abs. 1 EntgFG.

Der Arbeitnehmer erhob gegen den Arbeitgeber Klage auf Lohnzahlung iHv. 1675,52 € nebst Zinsen. Die Vorinstanz des Landesarbeitsgerichts (LAG) Niedersachsen hatte dem Arbeitnehmer Recht gegeben. Nun ging der Arbeitgeber vor dem BAG in Revision.

Entscheidung:

Das BAG hielt die Berufung der Beklagten für überwiegend begründet und verwies die Sache zur Neuverhandlung an das LAG Niedersachsen.

Begründet wurde dies mit den fehlerhaften Ausführungen des LAG zur tatsächlichen passgenauen Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit auf die Zeit der Kündigungsfrist. Dadurch entstünde eine sog. zeitliche Koinzidenz.

Zwar sei die Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum vor dem Zugang der Kündigung nicht zu beanstanden und damit bestehe für diese Zeit ein rechtmäßiger Anspruch auf Entgeltfortzahlung gem. § 3 Abs. 1 S. 1 EntgFG.
Für zwei der drei eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen lag dem Kläger jedoch bereits seine Kündigung durch die Beklagte vor. Damit wurde der Arbeitnehmer zu einer Zeit arbeitsunfähig, in der er bereits Kenntnis vom Ende des Arbeitsverhältnisses hatte.

Das BAG wies weiterhin darauf hin, dass die dritte Bescheinigung anders als die beiden vorigen auf einen anderen Wochentag und damit passgenau auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses attestiert wurde. Der Kläger konnte daraufhin seine neue Beschäftigung direkt am folgenden Tag aufnehmen. Die Gesamtschau dieser Umstände begründe ernsthafte Zweifel an der Beweiswürdigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.

Die Entscheidung der vorigen Instanz war damit für das BAG insgesamt fehlerhaft. Nach seinen Ausführungen hob es das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zurück an das LAG Niedersachsen.

Das Urteil des BAG können Sie in voller Länge hier lesen.

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