BAG: Unbezahlte Freistellung bei Verweigerung der Vorlage von Testnachweisen

BAG, Urteil vom 01.06.2022, Az.: 5 AZR 28/22

Aufgrund der abklingenden Infektionszahlen wurde die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung, die für einen Übergangszeitraum an die Stelle der entfallenen 3G-Pflicht am Arbeitsplatz getreten war, vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales nicht über den 25.05.2022 hinaus verlängert. Auch wenn die Corona-Schutzverordnungen der Bundesländer insbesondere für Krankenhäuser noch eine Masken- und Testpflicht vorsehen, liegt der Infektionsschutz innerhalb des Betriebes nun weitestgehend in der Eigenverantwortung des Arbeitgebers. Über die Frage, welche Maßnahmen dieser einführen darf und wie er diese durchsetzen kann, hatte nun das BAG zu entscheiden.

Sachverhalt

Die Klägerin war als Musikerin an der Bayerischen Staatsoper beschäftigt. Nach Ausbruch der Corona-Pandemie nahm die Staatsoper zunächst bauliche und organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter vor Infektionen vor. Diese wurden jedoch nicht für ausreichend erachtet. Um den Vorgaben der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmen-Verordnung zu genügen, wurde daraufhin gemeinsam mit dem Institut für Virologie der Technischen Universität München sowie mit einem Klinikum eine betriebliche Teststrategie entwickelt. Die Klägerin sollte demnach im Abstand von ein bis drei Wochen das negative Ergebnis eines PCR-Tests vorlegen. Zu diesem Zweck wurden von der Staatsoper kostenfreie Tests angeboten. Ohne Testung war eine Teilnahme an Proben und Aufführungen untersagt. Dennoch verweigerte die Musikerin die Testungen. Sie wurde entsprechend für den Zeitraum von Ende August bis Anfang Oktober 2020 ohne Gehaltszahlung von der Arbeit freigestellt. Die Klägerin begehrte nun die Vergütung für diesen Zeitraum.

Entscheidung

Das BAG gab der Staatsoper Recht und wies die Klage ab.

Der Arbeitgeber ist nach § 618 Abs. 1 BGB zum Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit bei der Ausübung ihrer Tätigkeit verpflichtet. Diese Fürsorgepflicht wird durch die Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) konkretisiert. Zur Umsetzung der von ihm festgelegten Schutzmaßnahmen ist er zur Erteilung von Weisungen nach § 106 GewO berechtigt. Hierbei hat er nach billigem Ermessen zu handeln. Dies sei bei der vorliegenden Anordnung einer Pflicht zur PCR-Testung der Fall gewesen. Nachdem zuvor bauliche und organisatorische Maßnahmen für nicht ausreichend erachtet wurden, hat die Beklagte mit wissenschaftlicher Unterstützung ein differenziertes Testkonzept entwickelt. Hierdurch sollte der Spielbetrieb ermöglicht und die Gesundheit der Beschäftigten geschützt werden. Im Vergleich zum minimalen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit sei die Anordnung daher rechtmäßig. Verweigert ein Arbeitnehmer die rechtmäßig angeordnete Testung, sei er zur Erbringung seiner Arbeitsleistung außerstande. Nach § 297 BGB ist der Arbeitgeber nicht zur Lohnfortzahlung verpflichtet.

Hinweis für die Praxis

Das BAG räumt dem Arbeitgeber einen weiten Entscheidungsspielraum bei der Einführung betrieblicher Infektionsschutzmaßnahmen ein. So kann auch die Anordnung von PCR-Testungen rechtmäßig sein. Grenze bildet jedoch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der beabsichtigte Schutz der Mitarbeiter muss stets mit dem Eingriff in die Rechte der einzelnen Mitarbeiter, welcher durch die Schutzmaßnahmen erfolgt, abgewogen werden. Im vorliegenden Fall erfolgte die Anordnung der PCR-Testungen in Corona-Hochzeiten. Aus dem Urteil folgt daher nicht automatisch, dass eine derartige Anordnung bei den aktuell abklingenden Infektionszahlen ebenso rechtmäßig wäre. Weiterhin hat der Arbeitgeber bei der Einführung von Schutzmaßnahmen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1, 7 BetrVG zu beachten.

Die Pressemitteilung des BAG können Sie hier nachlesen.

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