Der Personalmangel in der Pflege steht seit Jahren im Fokus der Öffentlichkeit. Als eine Ursache werden immer wieder schlechte Arbeitsbedingungen und unzureichende Bezahlung genannt. Dies mag auch daran liegen, dass der zunehmende Anteil an privat-gewerblichen Trägern in der Gestaltung der Arbeitsbedingungen bisher relativ frei war. Gewerkschaften, welche die Rechte der Pflegekräfte durchsetzen, existieren bislang kaum. Dieser Freiheit der Arbeitgeber könnte nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ein baldiges Ende drohen.
Trotz niedriger Anzahl organisierter Arbeitnehmer im Pflegesektor, sprach das BAG der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) die Tariffähigkeit zu. Dies hat nicht nur zur Folge, dass nun für die Arbeitgeber ein Gegenspieler auf Augenhöhe Tarifverträge aushandeln könnte. Auch der am 29. Januar 2021 zwischen ver.di und der Bundesvereinigung der Arbeitgeber der Pflegebranche (BVAP) geschlossene Tarifvertrag, welcher unter anderem eine Erhöhung des Mindestentgeltes für Pflegefachpersonen in vier Schritten auf 3.000 € vorsieht, ist damit wirksam. Die Wirkung ist zunächst aufgrund der geringen Anzahl tarifgebundener Arbeitnehmer und Arbeitgeber überschaubar. Allerdings ist davon auszugehen, dass sich Pflegekräfte zunehmend in Gewerkschaften organisieren.
Sachverhalt
Ver.di entstand im Jahr 2001 durch den Zusammenschluss von fünf Einzelgewerkschaften und ist mit 1,9 Millionen Mitgliedern die zweitgrößte deutsche Gewerkschaft nach der IG Metall. Als solche hat ver.di auch mit einigen Trägern von Pflegeeinrichtungen Tarifverträge abgeschlossen. So vereinbarte sie etwa im Februar 2021 mit der BVAP einen Tarifvertrag über Mindestarbeitsbedingungen in der Pflegebranche.
Der Antragsteller ist ein Arbeitgeberverband für Pflegeeinrichtungen in Deutschland und begehrte die Feststellung, dass ver.di in der Pflegebranche nicht tariffähig sei. Ihr fehle in diesem Bereich aufgrund der geringen Anzahl organisierter Pflegekräfte die für eine Gewerkschaft nötige Durchsetzungskraft gegenüber der Arbeitgeberseite.
Entscheidung
Das BAG wies den Antrag des Arbeitgeberverbandes zurück. Ver.di sei auch im Pflegesektor tariffähig.
Der Antrag auf Feststellung der teilweisen Tarifunfähigkeit sei bereits unzulässig. Eine Vereinigung sei entweder einheitlich tariffähig oder nicht. Eine teilweise, auf bestimmte Branchen, Regionen, Berufskreise oder Personengruppen beschränkte Tariffähigkeit gäbe es nicht. Tariffähigkeit läge daher bereits dann vor, wenn die Gewerkschaft zumindest in einem nicht unbedeutenden Teil ihres Organisationsbereichs über Durchsetzungsmacht und organisatorische Leistungsfähigkeit verfüge. Es seien auch keinerlei Rechtsgründe gegeben, von dem Prinzip der Einheitlichkeit und Unteilbarkeit der Tariffähigkeit abzuweichen.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts finden Sie hier.