Der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) legt gem. § 136 SGB V in seinen Richtlinien Qualitätskriterien fest, welche von den zugelassenen Krankenhäusern zwingend zu beachten sind. Bei Verstößen drohen sowohl Schadensersatzforderungen der Patienten als auch Vergütungsabschläge, bis hin zum vollständigen Wegfall des Vergütungsanspruchs gegenüber den Krankenkassen. Derartige Vergütungsabschläge darf die Krankenkasse jedoch nur vornehmen, wenn dies in der Richtlinie des G-BA ausdrücklich vorgesehen ist – so das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 12.06.2025. Etwas anderes gilt aber, wenn nicht nur gegen die Richtlinien des G-BA verstoßen wird, sondern auch gegen das allgemeine Qualitätsgebot des § 2 Absatz 1 Satz 3 SGB V. Dann entsteht der Vergütungsanspruch nämlich gar nicht erst.
Sachverhalt
Geklagt hatte ein Universitätsklinikum gegen eine Krankenkasse auf Vergütungen für Krankenhausleistungen in Höhe von über 500.000 €. Das Klinikum hatte im Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum 27.03.2017 mehr als 100 Patienten auf der kinderonkologischen Station behandelt, welche bei der Beklagten versichert waren. Die Beklagte zahlte die Vergütung zunächst vollständig. In einer Prüfung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen stellte dieser fest, dass vom Klinikum im Zeitraum der Behandlungen gegen die Richtlinie des G-BA zur Kinderonkologie verstoßen worden sei. Die Vorgaben zur Anzahl der in jeder Schicht vorzuhaltenden Pflegefachkräfte seien verletzt worden. Die Krankenkasse forderte daraufhin die Vergütung in Höhe von über 500.000 € zurück und rechnete diese mit unstreitigen Vergütungsansprüchen des Klinikums auf. Dieses Geld forderte das Klinikum nun klageweise zurück.
Das Sozialgericht Magdeburg sah es wie das Klinikum und verurteilte die Krankenkasse zur Zahlung. Dagegen ging die Krankenkasse in Revision.
Entscheidung
Das BSG sah es wie das Sozialgericht Magdeburg.
Allein ein Verstoß gegen eine Qualitätssicherungsrichtlinie des G-BA ab dem 01.01.2016 kann den Vergütungsanspruch nicht entfallen lassen, wenn dies vom G-BA in der Richtlinie nicht ausdrücklich als Folge des Verstoßes geregelt wurde. Nach § 137 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 SGB V ist bei einem Verstoß gegen eine Vorgabe des G-BA ein Vergütungswegfall zwar zulässig, aber nicht zwingende Rechtsfolge. Vielmehr muss der G-BA dies als Folge des Verstoßes ausdrücklich festlegen. Ein solcher Vergütungswegfall ist in der Richtlinie zur Kinderonkologie jedoch nicht vorgesehen.
Allerdings regelt der G-BA in seinen Richtlinien nur Qualitätsvorgaben, welche über das allgemeine Qualitätsgebot hinausgehen. Verstöße gegen dieses allgemeine Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V führen jedoch dazu, dass ein Vergütungsanspruch gar nicht erst entsteht. Ob der Verstoß gegen den vorgegebenen Pflegepersonalschlüssel vorliegend einen solchen Verstoß gegen das allgemeine Qualitätsgebot darstellt, konnte das BSG nicht entscheiden. Das bloße Nichteinhalten der Vorgaben des G-BA genügt hierfür nicht. Vielmehr ist ein Bezug zum individuellen Behandlungsfall erforderlich. Ob bei den einzelnen Behandlungen der anerkannte Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse verletzt wurde, soll nun noch einmal das Sozialgericht Magdeburg prüfen.
Auswirkungen auf die Praxis
Das BSG macht vor allem die Differenzierung zwischen dem allgemeinen Qualitätsgebot aufgrund des anerkannten Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse und den darüberhinausgehenden Vorgaben durch die Richtlinien des G-BA deutlich. Während bei Verstößen gegen das allgemeine Qualitätsgebot ein Vergütungsanspruch gar nicht erst entsteht, dürfen bei reinen Verstößen gegen die Richtlinien des G-BA Vergütungskürzungen durch die Krankenkassen nur vorgenommen werden, wenn dies die Richtlinie ausdrücklich vorsieht. Die Beurteilung, ob im Einzelfall auch ein Verstoß gegen das allgemeine Qualitätsgebot vorliegt, ist schwierig. Krankenkassen dürften künftig jedoch keine Vergütungen mehr zurückfordern, wenn sie dies nur mit Verstößen gegen G-BA-Richtlinien begründen, die selbst keine Kürzung ausdrücklich vorsehen.
Den Terminbericht des BSG können Sie hier nachlesen.