LAG Düsseldorf: Unzutreffende Angabe der Sozialdaten bei Betriebsratsanhörung führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn dem Betriebsrat die zutreffenden Sozialdaten bekannt sind

LAG Düsseldorf, Urteil vom 19.01.2022, Az.: 12 Sa 705/21

Gemäß § 102 Abs.1 BetrVG ist der Betriebsrat zwingend vor Ausspruch einer Kündigung zu beteiligen. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über eine beabsichtigte Kündigung zu informieren und ihm sämtliche Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Ob diese Beteiligung fehlerhaft erfolgt, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat versehentlich falsche Sozialdaten mitteilt, hatte des Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf zu entscheiden.

Sachverhalt

Der Kläger war seit dem 25.05.1998 bei der Beklagten als Busfahrer im öffentlichen Personennahverkehr beschäftigt. Ab 2019 kam es immer wieder zu Unzufriedenheiten beider Seiten mit dem Arbeitsverhältnis. Im Februar 2020 erhielt der Busfahrer eine Abmahnung. Ihm wurde vorgeworfen gegen eine Dienstanweisung verstoßen zu haben, nach welcher Fahrgeldeinnahmen von über 350 € spätestens nach drei Tagen einzuzahlen sind. Wenige Tage später erhielt der Busfahrer zwei weitere Abmahnung im Zusammenhang mit der Einzahlung von Fahrgeldern. Der Busfahrer wurde in diesem Zusammenhang zu zwei Personalgesprächen eingeladen. Hierbei soll es zu Beleidigungen und Bedrohungen des Personaldisponenten und seiner Familie gekommen sein. Aufgrund dieser Ereignisse informierte die Arbeitgeberin den bestehenden Betriebsrat über die beabsichtigte außerordentliche Kündigung des Busfahrers. Die Sozialdaten gab sie hierbei mit „Familienstand: ledig; Kinder: keine“ an. Dem Betriebsrat war bekannt, dass diese Angaben unzutreffend waren und der Kläger verheiratet ist und ein Kind hat. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung. Dennoch kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis am 26.02.2020. Gegen diese Kündigung klagte der Busfahrer.

Entscheidung

Das LAG Düsseldorf wies die Klage zurück und hält die Kündigung für wirksam.

Es sei hinreichend erwiesen, dass der Busfahrer den Personaldisponenten und seine Familie bedroht habe. Damit liege ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vor, welcher eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. Auch der Betriebsrat sei ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 BetrVG beteiligt worden. Die versehentlich falsche Angabe der Sozialdaten ändere daran nichts. Nach Rechtsprechung des BAG sei die Unterrichtung des Betriebsrates so vorzunehmen, dass dieser die Stichhaltigkeit und Gewichtung der Kündigungsgründe überprüfen kann. Mitzuteilen seien daher die Umstände, die den Kündigungsentschluss tatsächlich beeinflusst haben. Allerdings dürfen Umstände, die sich objektiv günstig für den Arbeitgeber auswirken, auch dann dem Betriebsrat nicht verschwiegen werden, wenn sie subjektiv für den Arbeitgeber in seiner Entscheidung keine Relevanz hatten. Auch die absichtlich falsche Angabe der Sozialdaten führt zur Unwirksamkeit der Kündigung. Dies verletze das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Vorliegend erfolgte die Falschangabe versehentlich. Entscheidend sei hier allein, dass dem Betriebsrat der Kern des Kündigungsvorwurfs zutreffend mitgeteilt wurde. Der Kündigungssachverhalt wurde dem Betriebsrat vollständig und zutreffend dargelegt. Die korrekten Sozialdaten waren dem Betriebsrat bei Einleitung der Anhörung vollständig bekannt, ohne dass dieser weitere Nachforschungen anstellen musste. Weiterhin fehle es hier erkennbar an einem inneren Zusammenhang der Unterhaltspflichten mit dem maßgeblichen Kündigungsvorwurf, sodass es auch dem Arbeitgeber bei objektiver Beurteilung in seiner Entscheidung nicht auf die Sozialdaten des Klägers ankam.

Praktische Hinweise

Die korrekte Beteiligung des Betriebsrates hat für den Arbeitgeber eine sehr große Bedeutung. Die ausgesprochene Kündigung ist nicht nur bei unterbliebener Anhörung des Betriebsrates unwirksam, sondern bereits bei fehlerhafter oder unvollständiger Anhörung. Auch wenn das LAG Düsseldorf den Arbeitgeber etwas entlastet, sollte auf eine vollständige und korrekte Unterrichtung des Betriebsrates geachtet werden. Anderenfalls wird die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung riskiert.

 

Das Urteil des LAG Düsseldorf finden Sie hier.

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