LAG Köln: Kein Anspruch auf Beschäftigung im Homeoffice, wenn Arbeitsort im Arbeitsvertrag festgelegt ist

LAG Köln, Urteil vom 12.01.2022, Az.: 3 Sa 540/21

Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben nach § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX einen Anspruch auf eine behinderungsgerechte Beschäftigung. Ob der Arbeitgeber auch verpflichtet werden kann, über sein Direktionsrecht nach § 106 GewO eine Arbeit im Homeoffice anzuordnen, wenn der Arbeitsort vertraglich fest geregelt ist, hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln zu entscheiden.

Sachverhalt

Die Klägerin war als medizinische Fachangestellte in einer Augenklinik beschäftigt. Arbeitsvertraglich sind als Tätigkeitorte eine Zweigpraxis und eine weitere Praxis vereinbart. Aufgrund ihrer Erkrankung an Multipler Sklerose hatte die Klägerin einen Grad der Behinderung von 50. Aufgrund einer über ein Jahr andauernden Arbeitsunfähigkeit wurde mit der Klägerin ein BEM-Gespräch durchgeführt. Thema war unter anderem die Möglichkeit der Beschäftigung der Klägerin im Homeoffice. Der Beklagten wurde vom Sozialamt ein Zuschuss zur behindertengerechten Ausstattung des Arbeitsplatzes in der Praxis gewährt. Eine Beschäftigung im Homeoffice lehnte die Beklagte ab. Die medizinische Fachangestellte wollte die Beschäftigung im Homeoffice aus diesem Grund klageweise durchsetzen.

Entscheidung

Das LAG Köln wies die Klage zurück.

Die medizinische Fachangestellte habe keinen Anspruch auf Beschäftigung im Homeoffice. Im Rahmen des BEM-Gesprächs wurde keine Änderung der Regelungen im Arbeitsvertrag getroffen. Auch aus dem Rücksichtnahmegebot des § 241 Abs. 2 BGB folge ein solcher Anspruch nicht. Zwar könne der Arbeitgeber verpflichtet werden, sein Direktionsrecht nach § 106 GewO so auszuüben, dass dem beeinträchtigten Arbeitnehmer die Erbringung seiner Arbeitsleistung möglich ist. Begrenzt werde dies jedoch durch die Regelungen im Arbeitsvertrag. Dort finden sich hier ausdrückliche Regelungen zu Ort und Inhalt der Arbeitsleistung. Eine Beschäftigung im Homeoffice würde weder dem vertraglich vereinbartem Arbeitsort entsprechen, noch mit den typischen Arbeitsaufgaben einer medizinischen Fachangestellten vereinbar sein. Ein Anspruch auf vertragsfremde Beschäftigung könne sich zwar aus § 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX ergeben, jedoch ist die Erfüllung für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden. Der Arbeitgeber müsste einen neuen Arbeitsplatz schaffen, den es in dieser Form bisher nicht gibt. Dazu könne er nicht verpflichtet werden.

Praktische Hinweise

Grundsätzlich geht der Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung sehr weit. So kann der Arbeitgeber nach bisheriger Rechtsprechung sogar zu einer Umgestaltung der Arbeitsorganisation verpflichtet werden. Auch die Ermöglichung eines beruf­lichen Aufstiegs durch die Teilnahme an Aus- und Weiter­bil­dungs­maß­nahmen kann sich aus dem Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung ergeben. Vom LAG Niedersachsen wurde auch bereits ein Anspruch eines Industriekaufmanns auf die Einrichtung eines Heimarbeitsplatzes bejaht (LAG Niedersachsen, Urteil v. 06.12.2010, Az.: 12 Sa 860/10). Das LAG Köln zieht nun eine Grenze dort, wo der Arbeitsort vertraglich fest geregelt ist und bestätigt die bisherige Rechtsprechung darin, dass der Arbeitgeber nicht zur Schaffung eines völlig neuen Arbeitsplatzes verpflichtet werden kann.

Das Urteil des LAG Köln finden Sie hier.

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