Gemäß § 1 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) greift der besondere Schutz des Arbeitnehmers erst nach einer Wartezeit von sechs Monaten. Ob die Kündigung einer medizinischen Fachangestellten wegen fehlender Corona-Impfung vor Ablauf dieser Wartezeit rechtmäßig war, hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz zu entscheiden.
Sachverhalt
Die Klägerin war als medizinische Fachangestellte sachgrundlos befristet für ein Jahr in einer Klinik beschäftigt. Sie wurde auf verschiedenen Stationen in der Patientenversorgung eingesetzt. Die Impfangebote der Beklagten nahm die medizinische Fachangestellte nicht an. Gegen SARS-CoV-2 wolle sie sich nicht impfen lassen. Gegen die mit der fehlenden Impfung begründete Kündigung erhob die medizinische Fachangestellte Klage.
Entscheidung
Das LAG Rheinland-Pfalz wies das Begehren der medizinischen fachangestellten zurück. Die Kündigung sei rechtmäßig.
Der besondere Kündigungsschutz des KSchG kam der Klägerin noch nicht zugute. Die erforderliche sechsmonatige Betriebszugehörigkeit nach § 1 Abs. 1 KSchG war zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht erreicht. Ein Kündigungsgrund war daher nicht erforderlich. Mit der Kündigung habe der Arbeitgeber auch nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstoßen. Nach § 612a BGB darf ein Arbeitnehmer nicht deshalb benachteiligt werden, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die Entscheidung gegen eine Impfung sei zwar durch das Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG geschützt und die gesetzliche Impfflicht im Gesundheitswesen nach § 20a IfSG bestand zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht. Allerdings befand sich die Klägerin noch in der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG. Komme der Arbeitgeber in dieser Zeit zu dem Ergebnis, das Arbeitsverhältnis nicht fortsetzen zu wollen, so könne er dieses grundsätzlich frei kündigen, ohne auf entgegenstehende Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen zu müssen. Mit Blick auf den Infektionsschutz von Patienten und Mitarbeitern durfte der Arbeitgeber daher die Entscheidung treffen, Arbeitsverhältnisse mit ungeimpften Pflegekräften über die Wartezeit hinaus nicht fortsetzen zu wollen.
Praktische Hinweise
Das Urteil verdeutlicht die enorme Bedeutung des Kündigungsschutzgesetzes in der Arbeitswelt. Es zeigt, wie weit die Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers reicht, sobald das KSchG nicht anzuwenden ist. Insbesondere innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis grundlos kündigen. Merken Sie, dass Ihrerseits kein Interesse an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses besteht, ist daher schnelles Handeln geboten, bevor nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses das Kündigungsrecht durch das Kündigungsschutzgesetzt stark eingeschränkt wird und die Kündigung sozial gerechtfertigt sein muss.
Das Urteil des LAG Rheinland-Pfalz finden Sie hier.