SG Berlin: Nachbesetzung von Arztstellen im MVZ im Ausnahmefall auch vor Ablauf von drei Jahren

SG Berlin, Urteil vom 30.09.2020, Az.: S 87 KA 155/18

Will ein MVZ einen Arzt anstellen, benötigt es gem. § 95 Abs. 2 S. 7 SGB V eine Anstellungsgenehmigung vom Zulassungsausschuss. Wurde von dem Landesausschuss für die Region des MVZ eine Überversorgung nach § 103 SGB V festgestellt, ist eine Genehmigung jedoch nur schwierig zu erhalten. In einem solchen gesperrten Planungsbereich sind grundsätzlich alle Zulassungsanträge abzulehnen. Dies gilt auch für Anträge auf Anstellungsgenehmigungen. Eine Ausnahme gilt, wenn ein niedergelassener Arzt auf seine Zulassung verzichtet, um im MVZ als angestellter Arzt tätig zu werden. Scheidet der Arzt zu einem späteren Zeitpunkt aus dem MVZ wieder aus, darf das MVZ seine Stelle nachbesetzen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gilt dies jedoch nur, wenn der Arzt mindestens für drei Jahre im MVZ tätig war (BSG, Urt. v. 04.05.2016, Az.: B 6 KA 21/15 R). Die Entwicklungen des Arbeitsmarktes hin zu einer immer kürzeren Verweildauer an einer Arbeitsstätte stellen die MVZ damit zunehmend vor große Herausforderungen. War der Arzt noch keine drei Jahre tätig, verliert das MVZ eine Anstellungsgenehmigung. Zur Entlastung der MVZ hat das BSG bereits eine Ausnahme von der dreijährigen Beschäftigung für Fälle vorgesehen, in denen ursprünglich eine dreijährige Tätigkeit gewollt war, das frühere Ausscheiden aber auf besonderen Gründen, zum Beispiel einer Erkrankung, beruht. Das SG Berlin schafft nun eine weitere Ausnahme. Es erleichtert dem MVZ die Nachbesetzung auch dann, wenn das frühe Ausscheiden aus dem MVZ auf anerkennenswerten Gründen beruht. Dennoch bleibt die Nachbesetzung bei einer Beschäftigungsdauer von unter drei Jahren im gesperrten Planungsbereich in einem Großteil der Fälle unmöglich. Eine vorausschauende Planung bei der Anstellung von Ärzten ist daher weiterhin enorm wichtig.

Sachverhalt

Eine Hausärztin mit halben Vertragsarztsitz wollte in einem MVZ angestellt werden. Damit das MVZ eine Anstellungsgenehmigung erhalten konnte, verzichtete die Ärztin auf ihre hälftige Zulassung und brachte diese in das MVZ ein. Bereits neun Monate nach Beginn der Tätigkeit im MVZ erhielt die Ärztin ein Jobangebot von einem anderen MVZ. Angeboten wurde ihr eine Vollzeitanstellung in ihrer eigentlichen fachlichen Spezialisierung. Die Ärztin nahm das Angebot an und verließ das MVZ. Das MVZ beantragte daraufhin beim Zulassungsausschuss die Nachbesetzung der Stelle in der Form, dass die Anstellung einer anderen Ärztin mit halber Stelle auf eine volle Stelle aufgestockt wird. Der Zulassungsausschuss lehnte dies ab. Hiergegen klagte das MVZ.

Entscheidung

Das SG Berlin gab dem MVZ Recht.

Abweichend von der 3-Jahres-Rechtsprechung des BSG sei hier eine Nachbesetzung auch schon früher möglich. Bei dem Eintritt in das MVZ habe die Ärztin ursprünglich die Absicht besessen, sich für die Dauer von mindestens drei Jahren anstellen zu lassen. Dass sie nun früher aus dem MVZ ausgeschieden ist, beruhe auf anerkennenswerten Umständen. Die Ärztin habe vorliegend aus nachvollziehbaren beruflichen Gründen die Anstellung gekündigt. Das Angebot, welches sie von einem anderen MVZ erhalten hat, war für sie bei Beginn der Anstellung noch nicht vorhersehbar. Mit seiner Rechtsprechung wollte das BSG einzig solche Fälle verhindern, in denen ein Arzt kurz vor dem Ruhestand auf seine Zulassung verzichtet, von dem MVZ dafür eine Geldzahlung erhält und sich das MVZ so eine Zulassung im gesperrten Planungsbereich erkauft. Dies sei hier gerade nicht der Fall. Kündigt ein Arzt wie vorliegend aus unerwarteten Gründen, so darf dies keinen Nachteil für das MVZ mit sich bringen. Daher habe das MVZ vorliegend ein Anspruch auf Genehmigung der Nachbesetzung der ausgeschiedenen Ärztin. Die Aufstockung der halben Zulassung einer anderen Ärztin auf eine volle Zulassung sei daher vom Zulassungsausschuss zu genehmigen.

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