SG München: Haftung des ärztlichen Leiters eines MVZ für fehlerhafte Abrechnung

SG München, Gerichtsbescheid vom 21.01.2021, Az.: S 38 KA 165/19

Die Eingliederung in ein MVZ bringt für die dort angestellten Ärzte im Vergleich zur eigenen Praxis eine deutliche Entlastung mit sich. Für sie entfallen neben dem unternehmerischen Risiko auch die administrativen und organisatorischen Aufgaben. Dieses Risiko und die Aufgaben liegen allein beim MVZ und damit beim ärztlichen Leiter, welcher dem MVZ gem. § 95 Abs. 1 S. 2 SGB V vorsteht. Diese große Verantwortung bringt jedoch ein enormes Haftungsrisiko für den ärztlichen Leiter mit sich. Je nach Schwere der Verfehlung kann dies zu Verwarnung, Verweis, Geldbuße bis zu 50.000 Euro oder zu einer Anordnung des Ruhens der Zulassung bis zu zwei Jahren führen (vgl. beispielsweise § 3 Abs. 7 Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt).

Inwieweit der ärztliche Leiter auch für fehlerhafte Abrechnungen angestellter Ärzte haftet, hatte das Sozialgericht München zu entscheiden.

Sachverhalt

Der Kläger ist ärztlicher Leiter eines MVZ in der Fachrichtung Orthopädie-Chirurgie. Mit Bescheid vom 05.04.2019 wurde gegen den Kläger von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern eine Geldbuße in Höhe von 8.000 € zuzüglich einer Gebühr in Höhe von 900 € verhängt. Dem Kläger wurde dabei vorgeworfen, gegen seine Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen zu haben. Zum einen sei die enorm hohe Anzahl identischer Patienten mit dem nur ca. 8 Kilometer entfernten MVZ mit annährend identischer Fachrichtung auffällig. Hierbei sei es zu einer auffälligen Erhöhung der Fallzahlen gekommen, welche eine rechtsmissbräuchliche Doppelbehandlung vermuten lässt. Die Überweisungen von einem MVZ in das andere seien in vielen Fällen medizinisch nicht nachvollziehbar. Aufgrund dieser Vorwürfe kam es bereits zu einem Plausibilitätsverfahren und Vergütungsrückforderungen. Auch die Abrechnung einzelner Gebührenordnungspositionen wurde von der Kassenärztlichen Vereinigung beanstandet. So wurde beispielsweise die für die Abrechnung des Leistungsinhalts erforderliche 30-minütige Überwachung von den angestellten Ärzten nicht hinreichend dokumentiert. Dies habe der Kläger als ärztlicher Leiter zu überwachen, auch wenn er die Leistung nicht selbst erbringt. Der ärztliche Leiter erhob gegen die verhängte Geldbuße Klage vor dem SG München.

Entscheidung

Das SG München hielt die Geldbuße für angemessen und wies die Klage des ärztlichen Leiters zurück.

Die Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern ermächtigt bei der Verletzung vertragsärztlicher Pflichten je nach Schwere zur Verhängung einer Verwarnung, eines Verweises oder einer Geldbuße bis zu 10.000 € (nach aktueller Fassung sogar bis 50.000 €). Eine solche Verletzung vertragsärztlicher Pflichten liege vor. Diese setzt voraus, dass vom Arzt gegen vertragsarztrechtliche Vorschriften wie Gesetze, Satzungen, Verträge oder Richtlinien verstoßen wurde. Die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung bilde eine Grundpflicht im vertrauensbasierten Vertragsarztsystem. Zum einen wurde die Kooperationsform der Praxisgemeinschaft zwischen den beiden MVZs eher wie eine Gemeinschaftspraxis und damit rechtsmissbräuchlich genutzt. Zum anderen sei auch durch die Abrechnung der Gebührenordnungsposition ohne die erforderliche Dokumentation der Überwachung gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen worden. Diese Pflichtverletzung sei dem Kläger als ärztlichen Leiter des MVZ auch dann zuzurechnen, wenn er die Leistung nicht selbst erbracht hat. Als ärztliche Leitung trage er die volle Verantwortung für die korrekte Organisation der Behandlung und für die Leistungsabrechnung. Mit seiner Unterschrift garantiere der ärztliche Leiter, dass die Abrechnung ordnungsgemäß erfolgt ist. Aufgrund seiner Stellung trägt er die Gesamtverantwortung für die von den angestellten Ärzten des MVZ erbrachten Leistungen und deren Abrechnung. Bei fehlerhafter Abrechnung hafte daher der ärztlichen Leiter vollständig gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung. Es sei nicht erforderlich, vorrangig Disziplinarmaßnahmen gegen die angestellten Ärzte des MVZ vorzunehmen, auch wenn diese ihre Leistung nicht entsprechend der rechtlichen Vorgaben erbracht haben. Vielmehr könne unmittelbar gegen den ärztlichen Leiter vorgegangen werden.

Anmerkung: Das MVZ selbst ist nicht Mitglied der Kassenärztlichen Vereinigung, da gem. § 77 Abs. 3 SGB V nur natürliche Personen Mitglied der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung werden. Disziplinarmaßnahmen gegen das MVZ können daher von der Kassenärztlichen Vereinigung nicht verhängt werden.

Den Gerichtsbescheid des SG München können Sie hier vollständig nachlesen.

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