BGH veröffentlicht Urteilsgründe zu Jameda-Entscheidung

BGH, Urteil vom 12.10.2021, Az.:VI ZR 489/19, VI ZR 488/19

Zwei Ärzte hatten gegen die Aufnahme in das Ärztebewertungsportal „Jameda“ ohne ihre Einwilligung geklagt und forderten die Löschung ihrer Profile. Nach zweieinhalb Jahre andauernden Instanzenzug hat der BGH mit Urteil vom 12.10.2021 abschließend über den Sachverhalt entschieden und die Revision der Ärzte zurückgewiesen. Nun wurden die ausführlichen Urteilsgründe des BGH veröffentlicht.

Sachverhalt und Entscheidung

Die Beklagte betreibt die Ärztebewertungsplattform “Jameda”. Auf der Plattform werden Profile für Ärzte mit Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen angelegt. Über das Portal können sich Nutzer über Ärzte informieren, sowie diese anhand von Schulnoten bewerten.

Geklagt hatten zwei Ärzte, die ohne Einwilligung in das Portal der Beklagten aufgenommen worden. Sie begehrten sowohl die Löschung aller ihrer personenbezogenen Daten, als auch die Unterlassung, in Zukunft erneut auf der Plattform erfasst zu werden.

Vorinstanzlich wurden die Klagen der Ärzte größtenteils abgewiesen. Der BGH wies nun auch die Revisionen der Ärzte zurück.

Eine ausführlichere Darstellung des Sachverhalts und der Entscheidung können Sie in unserer kürzlich veröffentlichten News zu diesem Urteil hier nachlesen.

Entscheidungsgründe

Die Kläger stützten ihren Unterlassungsanspruch auf Art. 17 Abs. 1 DS-GVO. Dessen Voraussetzungen seien vorliegend jedoch nicht erfüllt. Das Erstellen und Veröffentlichen der Profile auf dem Portal der Beklagten stelle keine unrechtmäßige Verarbeitung ihrer Daten dar.

Nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DS-GVO ist eine Datenverarbeitung auch ohne Einwilligung des Betroffenen rechtmäßig, wenn die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen der Beklagten oder eines Dritten erforderlich ist und die Interessen des Betroffenen nicht überwiegen.

Mit dem Betreiben der Plattform trage die Beklagte zum Interesse der Allgemeinheit bei, sich über Ärzte zu informieren und anhand des Bewertungssystems eine Entscheidung über die eigene Behandlung treffen zu können. Dies könne zu mehr Transparenz im Gesundheitswesen beitragen. Die Rechte der Ärzte überwiegen diesem Informationsinteresse der Allgemeinheit nicht.

Zwar könne die Aufnahme in das Bewertungsportal die Ärzte erheblich belasten, indem jedermann in der Lage sei, durch Bewertungen auf dieser Seite das soziale wie berufliche Ansehen eines Mediziners in Verruf zu bringen. Daneben wirke sich eine Bewertung im Internet direkt auf den Konkurrenzkampf der Ärzte untereinander aus. Durch eine schlechte Benotung könnten potentielle Patienten von einer Behandlung bei diesem Arzt absehen und stattdessen eine andere Praxis aufsuchen oder den behandelnden Arzt wechseln.

Auf der anderen Seite stehe aber das ganz erhebliche Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über ärztliche Dienstleistungen und Transparenz im Gesundheitswesen. Dieser Zweck könne nicht erfüllt werden, wenn die Aufnahme der Ärzte von ihrer Einwilligung abhinge und diese bei negativen Bewertungen jederzeit zurückgezogen werden könne.

Schließlich sei bei der Abwägung auch zu berücksichtigen, inwieweit die Beklagte im Portalbetrieb als „neutrale Informationsmittlerin“ agiert. Dies sei nicht mehr der Fall, wenn die Beklagte die Basis-Profile nichtzahlender Ärzte als Werbeplattform für unmittelbar konkurrierende zahlende Ärzte nutzt und damit vorwiegend eigene Interessen verfolgt.

Vorliegend kann im Rahmen eines Premiumdienstes das persönliche Profil mit einem Bild, sowie einem Link zur eigenen Praxis und Beiträgen aus Fachzeitschriften ausgestattet und so der Internetauftritt ansprechender gestaltet werden. Nichtzahlende Ärzte könnten so als “Werbeplattform” für zahlende Ärzte benutzt werden, indem potentielle Patienten von den Profilen nichtzahlender Ärzte auf die Profile der zahlenden Ärzte verwiesen werden. Dies liege jedoch in diesem Fall nicht vor. Auch wenn Verlinkungen zahlender Ärzte auf den Profilen nichtzahlender Ärzte erscheinen, stelle dies keine nicht hinzunehmende Ungleichbehandlung dar. Zum einen sei nicht festzustellen, dass die verlinkten Mediziner auch räumlich mit den Klägern konkurrieren. Zum anderen sei es für einen Arzt zumutbar, im Internet auffindbar zu sein und die angebotenen Dienste bewerten zu lassen, wenn damit einem überwiegenden öffentlichen Interesse entsprochen wird. Aus der bloßen Ausgestaltung des Profils folge kein Rückschluss auf die Qualität der vom jeweiligen Arzt angebotenen Leistungen.

Praktische Hinweise

Der BGH sprach sich mit dieser Entscheidung für ein starkes Interesse der Allgemeinheit aus, sich über den Ärztemarkt zu informieren, um so Anhaltspunkte bei der Entscheidungsfindung über die eigene medizinische Behandlung zu haben. Ärzte haben es demnach hinzunehmen, über das Portal der Beklagten auffindbar zu sein und sich bewerten zu lassen. Die Grenze einer unrechtmäßigen Datenverarbeitung zieht das Gericht, wenn nichtzahlende Ärzte im Portal als Köder für Konkurrenten benutzt werden, welche die Premiumdienste der Beklagten in Anspruch nehmen.

Die Pressemitteilung des BGH finden Sie hier.

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