Sämtliche Patientendaten unterliegen dem Datenschutz und der ärztlichen Schweigepflicht. Werden diese ohne Einwilligung des Patienten an Dritte weitergegeben, macht sich der Arzt strafbar. Ob ein Arzt von einer Behörde zur Offenlegung von Patientenakten zum Zweck der Überwachung des Betäubungsmittelverkehrs verpflichtet werden kann, hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zu entscheiden.
Sachverhalt
Kläger war ein Allgemeinmediziner aus München. Die Stadt München führte als Überwachungsbehörde für den Betäubungsmittelverkehr gem. § 22 Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) eine routinemäßige Kontrolle in einer Apotheke durch. Hierbei fiel eine Betäubungsmittel-Verschreibung des Klägers für seinen Sohn auf. Die Behörde nahm dies zum Anlass, die medizinische Begründetheit der Verschreibung zu prüfen. Nach Einsicht in die Patientenunterlagen kam sie zum Ergebnis, dass keine gesicherte fachärztliche Diagnose vorliege, die die Verschreibung rechtfertige. Auch bei zwei weiteren Kontrollen von Apotheken fielen Betäubungsmittel-Verschreibungen des Klägers auf. Bei einer Kontrolle in der Praxis des Allgemeinmediziners wurden für die letzten drei Jahre insgesamt 54 Rezepte als auffällig eingestuft. Die Beklagte forderte daher vom Kläger zur weiteren Prüfung die Vorlage von Patientenunterlagen (Patientendokumentation, Arztbriefe, Befunde etc) von insgesamt 14 Patienten. Diese Vorlage verweigerte der Allgemeinmediziner und klagte gegen die entsprechende Anordnung.
Entscheidung
Das BVerwG gab dem Allgemeinmediziner Recht.
Die Beklagte könne zwar gem. § 22 Abs. 1 Nr. 1, § 24 Abs. 1 BtMG, § 8 Abs. 5 BtMVV die Vorlage der Rezeptdurchschläge verlangen, nicht jedoch die Einsicht in weitere Patientenunterlagen. Die zuständigen Behörden der Länder haben gem. § 19 Abs. 1 S. 3 BtMG den Betäubungsmittelverkehr bei Ärzten und Apotheken zu überwachen. Sie sind nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG befugt, hierzu „Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr“ einzusehen. Patientenakten seien davon jedoch nicht erfasst. Die Patientenakte dient der Dokumentation der ärztlichen Behandlung des Patienten. In ihr ist unter anderem die Indikation für das Verschreiben eines Betäubungsmittels zu dokumentieren. Diese Indikationsstellung geht der Verschreibung und damit dem eigentlichen Betäubungsmittelverkehr voraus. Haben die Behörden das Recht zur Einsicht in Unterlagen „über den Betäubungsmittelverkehr“, spreche dies daher eher dafür, dass die Indikation in der Patientenakte als Vorstufe der Verschreibung nicht erfasst werde. Weiterhin handle es sich bei den Patientendaten um sehr sensible persönliche Daten. In § 22 Abs. 1 BtMG werden jedoch, anders als beispielsweise in § 13 BtMG, keine Vorgaben zum Datenschutz getroffen. Auch dies spreche gegen ein Einsichtsrecht in Patientenakten. Ein solches wäre mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Privatsphäre des Einzelnen nicht vereinbar.
Hinweis für die Praxis
Nach § 13 BtMG darf eine Verschreibung von Betäubungsmitteln nur dann erfolgen, wenn die Anwendung des Mittels im menschlichen Körper begründet ist. Wird ein Betäubungsmittel ohne Indikation verschrieben, droht gem. § 29 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a BtMG eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Dass vom BVerwG nun ein Einsichtsrecht der Überwachungsbehörde für den Betäubungsmittelverkehr abgelehnt wurde, bedeutet nicht, dass keine Kontrolle des Bestehens der erforderlichen Indikation erfolgt. Bei hinreichendem Tatverdacht einer nicht indizierten Verschreibung gegen den Arzt kann die Staatsanwaltschaft auf Grundlage der Strafprozessordnung mit richterlicher Anordnung die Arztpraxis durchsuchen und Patientenakten beschlagnahmen. Daher sind bei der Verschreibung von Medikamenten auch ohne Einsichtsrecht der Überwachungsbehörde zwingend die Vorschriften des BtMG einzuhalten.
Das Urteil des BVerwG können Sie hier nachlesen.